Einführung in der Matthäus-Passion, Johann Sebastian Bach

von Dr. Jochen Kaiser

 

Schweißperlen auf der Stirn, ängstliche Augen, zitternde Glieder, trockener Mund, banges Herz, zermarterte Seele – der Garten liegt in friedlicher Ruhe. Der Mond scheint, die alten Ölbäume werfen ihre Schatten. Die Jünger, Pe­trus, Johannes, Jakobus schlafen in sanfter Stimmung. Jesus, der Menschensohn, sucht Zuflucht im Gebet. Ganz allein. Er hatte zu sei­nen engsten Freunden qualvolle Gedanken gesprochen: »Meine Seele ist betrübt bis an den Tod, bleibet hie und wachet mit mir«. Doch sie, eingeschlafen, nach dem Abendmahl, ruhig, zufrieden, eingeschlafen! Jesus verzweifelt, fleht: »Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willt.« Pe­trus, Johannes, Jakobus schlafen. »Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet!« Jesus zornig, zornig allein.

 

Jesus, der Gottessohn, ringt mit Gott, seinem Vater. »Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille.« Jesus, wahrer Mensch zugleich wahrer Gott, erlebt Todesangst, weiß sich doch in der Hand seines Vaters. Ein Engel aber kam von den gestirnten Bühnen, stärkte ihn (so steht es in einigen Handschriften des Lukasevangeliums).

 

Es wird der Prozess gemacht, vor den Hohenpriestern, dem römischen Stadthalter Pilatus. »Kreuzige ihn!« Jesus, der Christus gekreuzigt – aus Liebe will mein Heiland sterben. Er hat uns allen wohlgetan, den Blinden gab er das Gesicht, die Lahmen macht er gehend, er sagt uns seines Vaters Wort, er trieb die Teufel fort, Betrübte hat er aufgericht’, er nahm die Sünder auf und an. Sonst hat mein Jesus nichts getan. Aus Liebe will mein Heiland sterben.

 

Jesus, der liebende Herr, durch Prozess, Geißelung, Dornenkrone, Spott, Hohn, Schläge verwundet, schwach. Unter der Last des Kreuzes bricht er zusammen, kann nicht mehr weiter. Nackt hängt er am Kreuz, spottend »Jesus Nazarener, Juden-König«. Doch, seine Arme sind ausgebreitet: Sehet, Jesus hat die Hand, uns zu fassen, ausgespannt, kommt in Jesu Armen, sucht Erlösung, nehmt Erbarmen.

 

Die Welt finster, Nacht mitten am Tag. Jesus, Marias Sohn, schreit in die düstere Dunkelheit: »Eli, Eli lama asabthani? – Mein Gott, mein Gott, wa­rum hast du mich verlassen?« Jesus stirbt. Der Schöpfer tot. Da erbebt die Erde, die Felsen zerspringen, der Vorhang im Tempel, Gottes Woh­nungsschutz, zerreißt. Die ganze Schöpfung trauert, der Lebensschöpfer erblichen. Der römische Hauptmann, alle, die beim Kreuz stehen erkennen, bekennen: »Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!«

 

Befiehl dem Herren deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.

Einführung in der Matthäus-Passion, Johann Sebastian Bach

von Dr. Jochen Kaiser

 

Schweißperlen auf der Stirn, ängstliche Augen, zitternde Glieder, trockener Mund, banges Herz, zermarterte Seele – der Garten liegt in friedlicher Ruhe. Der Mond scheint, die alten Ölbäume werfen ihre Schatten. Die Jünger, Pe­trus, Johannes, Jakobus schlafen in sanfter Stimmung. Jesus, der Menschensohn, sucht Zuflucht im Gebet. Ganz allein. Er hatte zu sei­nen engsten Freunden qualvolle Gedanken gesprochen: »Meine Seele ist betrübt bis an den Tod, bleibet hie und wachet mit mir«. Doch sie, eingeschlafen, nach dem Abendmahl, ruhig, zufrieden, eingeschlafen! Jesus verzweifelt, fleht: »Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willt.« Pe­trus, Johannes, Jakobus schlafen. »Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet!« Jesus zornig, zornig allein.

         Jesus, der Gottessohn, ringt mit Gott, seinem Vater.  »Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille.« Jesus, wahrer Mensch zugleich wahrer Gott, erlebt Todesangst, weiß sich doch in der Hand seines Vaters. Ein Engel aber kam von den gestirnten Bühnen, stärkte ihn (so steht es in einigen Handschriften des Lukasevangeliums).

         Es wird der Prozess gemacht, vor den Hohenpriestern, dem römischen Stadthalter Pilatus. »Kreuzige ihn!« Jesus, der Christus gekreuzigt – aus Liebe will mein Heiland sterben. Er hat uns allen wohlgetan, den Blinden gab er das Gesicht, die Lahmen macht er gehend, er sagt uns seines Vaters Wort, er trieb die Teufel fort, Betrübte hat er aufgericht’, er nahm die Sünder auf und an. Sonst hat mein Jesus nichts getan. Aus Liebe will mein Heiland sterben.

Jesus, der liebende Herr, durch Prozess, Geißelung, Dornenkrone, Spott, Hohn, Schläge verwundet, schwach. Unter der Last des Kreuzes bricht er zusammen, kann nicht mehr weiter. Nackt hängt er am Kreuz, spottend »Jesus Nazarener, Juden-König«. Doch, seine Arme sind ausgebreitet: Sehet, Jesus hat die Hand, uns zu fassen, ausgespannt, kommt in Jesu Armen, sucht Erlösung, nehmt Erbarmen.

Die Welt finster, Nacht mitten am Tag. Jesus, Marias Sohn, schreit in die düstere Dunkelheit: »Eli, Eli lama asabthani? – Mein Gott, mein Gott, wa­rum hast du mich verlassen?« Jesus stirbt. Der Schöpfer tot. Da erbebt die Erde, die Felsen zerspringen, der Vorhang im Tempel, Gottes Woh­nungsschutz, zerreißt. Die ganze Schöpfung trauert, der Lebensschöpfer erblichen. Der römische Hauptmann, alle, die beim Kreuz stehen erkennen, bekennen: »Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!«

Befiehl dem Herren deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.