Dokumentarische Methode Bild- & Videoanalyse mit Beispiel

 

Videoanalyse

Bei der folgenden Entwicklung halte ich mich an die Ausführungen von Ralf Bohnsack, Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode, Opladen 2011.

Zuerst wird das gesamte Video angesehen und in Abschnitte eingeteilt. Ziel der ersten Analyse ist es, die Sequenzen auszuwählen, die aufgrund der Fokussierung genauer interpretiert werden soll. Fokussierung meint eine Steigerung der Dichte der Komposition, der Gebärden und Interaktionen. Auch Diskontinuitäten u.a. Auffälligkeiten können als Fokussierung ausgewählt werden.

Diese Sequenzen werden beschrieben. Die Formulierende Interpretation nimmt auf, was zu sehen ist. Vor-ikonografische und ikonografische Elemente werden beschrieben. Vor-ikonografisch ist eine Beschreibungsebene die Erwin Panofsky erkannte und die das, was wir ohne Kontextwissen sehen, beschreibt. Bewegungen und Aktionen werden beschrieben ohne Um-zu-Motive zu unterstellen. Die ikonografischen Elemente sind dann mit Kontextwissen ausgestattet, sie vermuten die Motive, die zu der zu sehenden Handlung führten.

Anhand dieser Beschreibungen wird deutlich, wo in der Sequenz einzelne Bilder als Repräsentanten des Ganzen stehen können. Auch hier geht es wieder um das Kriterium der Fokussierung. Als Ergebnis sind dann einzelne Bilder, sie werden Fotogramme genannt, ausgewählt, die nun analysiert werden.

Die Reflektierende Interpretation besteht aus drei Schritten: Perspektivische Projektion nimmt die Einstellung der Kamera, den abgebildeten Ausschnitt und die bildspezifische Räumlichkeit und Körperlichkeit auf. Klärt Fragen, die den Habitus des Fotografen betreffen.

Szenische Choreografie erfasst die sich zueinander verhaltenden Personen und untersucht das Verhältnis und damit die soziale Ebene der Abgebildeten.

Planimetrische Komposition das Bild wird als Totalität im Sinne eines selbst-referenziellen Systems angesehen. Somit taucht die Analyse in das Medium Bild ein und versucht so eine angemessene Interpretation.

Weitere Arbeitsschritte sind die Interpretation von Text und Ton sowie die Reflektierende Gesamtinterpretation.

 

Gottesdienst am Himmelfahrtstag 2011 in der Kreuzkirche in DD

Das Lied »Wir danken dir, Herr Jesu Christ« ARD-Gottesdienst

Dieses Lied fiel mir in dem gesamten, sehr traditionskontinuierlichen Gottesdienst auf, weil hier ein altes Lied mit einem modernen Bandzwischenspiel gekoppelt wurde. Dies geschah in Form der Aneinanderreihung: erst ein klassisches Tenortrio, dann im Tutti begleiteter kräftiger Gemeindegesang, dann dieses Bandzwischenspiel, anders als das Lied in binärem Metrum, dann wieder, als wäre nichts gewesen, die letzte Gemeindestrophe.

Die Fotogramme zeigen immer ein Halleluja. Für heute habe ich das Ende der zweiten Strophe ausgewählt. Bildregie ist hier vorhanden!

 

Himmelfahrtsgottesdienst DD aus der ARD
Himmelfahrtsgottesdienst DD aus der ARD

 

Vor-ikonografische Interpretation des Bildes

Ganz kurz: Man würde sagen, dass Menschen in Reihen hintereinander sitzen, offene Münder, Blick in Faltblätter, dann die einzelnen beschrieben.

 

Ikonografische Interpretation des Bildes

Es ist das Ende der 2. Strophe des Liedes. Hier singen die Besucher/innen zusammen. Die Abgebildeten sind sehr auf sich und ihren Zettel fixiert. Kein Aufblicken, keine Sichtkontakt in die Kirche oder zu anderen. Wieder fällt der junge Mann auf, der seinen Blick nach oben richtet und ein freundlich, lächelnden Gesichtsausdruck hat. Der Gesichtsausdruck der anderen scheint eher ernst und die Blicke sind nach unten auf den Zettel gerichtet. Obwohl ja nur das Wort Halleluja gesungen wird und dies in der zweiten Strophe auch schon bekannt sein könnte.

 

Reflektierende Interpretation

Perspektivische Projektion

Die Kamera erfasst nur einige wenige aus der Gemeinde. Diese sind in recht großer Aufnahme zu sehen. Diese Gruppe aus der Gemeinde taucht immer wieder auf, also ist in ihrer Nähe eine Kamera aufgestellt, die die Aktion der Gemeinde einfangen soll.

Körperlichkeit ist kaum zu beobachten. Die Abgebildeten sitzen ruhig, leicht nach vorne gebeugt auf ihren Stühlen und schauen auf die Zettel in ihren Händen.

 

Szenische Choreografie

Die Einzelnen wirken sehr bei sich, es scheint wenig Aktion in ihnen zu stecken. Die Armhaltung ist so, dass sie einen Kreis bilden, also in sich geschlossen sind. Auch die Blicke richten sich in diesen Kreis auf den Programmzettel, der zwischen den Händen ist und diese verbindet. Da fällt der Blick des jungen Mannes auf, er ist nach oben gerichtet.

 

Planimetrische Komposition

Deutlich zu erkennen sind die geschlossenen Kreise, die auch durch die Kopfhaltung und den Blick entstehen. Da ist dann der offene nach oben gerichtete Blick interessant. Wenn Menschen auf dem Bild zu sehen sind, dann bestätigt die planimetrische Komposition i.d.R. die szenische Choreografie.