Der Sound vom Gottesdienst

Versuch einer empirischen Methodik

von Jochen Kaiser

 

Einleitung – Sound Studies und Definition

Populär ist es heute, über den Klang die Welt wahrzunehmen. Der Klang, der sich vom physikalischen Schall durch eine kulturelle Ordnung unterscheidet, spielt in der Musik schon lange eine Rolle, aber in der Popmusik wird er zur prägenden Kategorie. Doch Klang oder englisch Sound als Zugang zur Welt kommt in vielen anderen Bereichen vor, die von den Sound Studies untersucht werden.[1] Entstanden sind die Sound Studies aus zwei Quellen, einmal den Studien des Centre for Contemporary Cultural Studies in Birmingham (1964-2002) und zum anderen beeinflusst durch Künste der Avantgarden unter dem Stichwort „Fluxus“.

Unser alltägliches Leben ist von Klängen durchdrungen und diese sollen von den Sound Studies untersucht werden.[2] Die dadurch entstehenden Forschungen lassen sich nicht einfach in ein Fachgebiet einordnen, sind also von Anfang an interdisziplinär.

Eine zentrale Einstellung betrifft die Hinterfragung der klassischen Wissenschaften und der daraus resultierenden Sichten auf die Phänomene des Klanges. Als Beispiel wähle ich die auf Lessing zurückgehende Einteilung von Zeit- und Raumkünsten. In seinem Traktat „Laokoon“[3] zeigt Lessing, dass Skulptur und Malerei Künste sind, die sich im Raum entfalten und somit ihre Merkmale simultan und synchron zeigen, während Dichtung und Musik Zeitkünste sind, also Klänge und Worte nacheinander entfalten. Im Klang wird diese Trennung überwunden, denn der sonische Bereich ist verraumzeitlicht. Der Klang füllt einen Klangraum und ändert sich in der Zeit bzw. muss permanent neu erzeugt werden. Damit unterscheidet er sich von der klassischen Notenschrift und wurde auch eher in der Popmusik aufgenommen. Von der klassisches Musikwissenschaft wurde er vernachlässigt.

„Sound Studies tragen dazu bei, die Kontingenz von Klanggestaltungen, ihre Abhängigkeit von Bedingungen wie Räumlichkeit, Kultur und individueller Erfahrung, ihre Gestaltbarkeit in den Vordergrund zu rücken und damit begreif- und lehrbar zu machen. Klänge sind nicht nur technisch-physikalische Emanationen, nicht nur musisch-ästhetische Imaginarien: Sie sind greifbarer und reicher Gegenstand unseres Empfindens, Fühlens und Denkens. Teil Ihres und meines Lebens.“[4]

Im Folgenden soll nicht mehr von Klang oder Sound, sondern eher vom „Sonischen“ geredet werden. Das Sonische umfasst Sound und Klang, meint aber einen größeren Bereich. Mit Sonisch, was das lateinsche Wort Sonus für Klang, Geräusch, Ton, aufnimmt, wird das Hörbare als kulturell geordnete Geräusche und das hörende Subjekt miteinander verbunden. Im Sonischen wird die Materie der Hörbarkeit und gleichzeitig der kulturelle Kontext benannt. Die materiale Ebene des Hörbaren war schon sehr früh in Musikanalysen Thema. Allerdings wurde es von der Ästhetik an den Rand gedrängt, weil nur die Form ästhetisch Schön sein konnte.[5] Die Musikästhetik unterschied zwischen dem intellektuellen und damit objektiven Zugang zur Musik und dem körperlichen also subjektiven. In der körperlich-subjektiven Wahrnehmung von Musik wurde das „Mehr“ der Musik gegenüber formalen Kriterien aufgenommen, doch diese hatte keinen Kunstwert.

Indem hier Wert auf das Sonische gelegt wird, ist das hörende Subjekt an prominenter Stelle. Damit tritt die Rezeptionsästhetik in den Blick. Anders als die Werkästhetik, die anhand musikimmanenter objektiver Kriterien den Wert von Musik bestimmt und der Produktionsästhetik, die besonderes Gewicht in der Popularmusik und ihrer Produktion im Studio bekommt, ist die Rezeptionsästhetik an der Aufführung interessiert. Sie ist weder vom hörenden Subjekt noch von Zeit und Ort des Erklingens von Musik zu trennen, sondern hat diese drei Parameter: Subjekt, Zeit und Ort als notwendige Voraussetzung.

Durch Zeit und Ort ist die Untersuchung des Sonischen an die Aufführung und an die Flüchtigkeit gebunden. Durch das Subjekt ist die Wahrnehmung individuell und muss die Lebenssituation des Wahrnehmenden einbeziehen. Neben den musikalischen Parametern von Harmonik, Melodie, Instrumente, Arrangement und Stilkunde werden für das Sonische auch Groove und Rhythmus, Stimmlichkeit und Körperlichkeit sowie Räumlichkeit und Raumordnung aufgenommen. Obwohl das Sonische hauptsächlich aus der Musikpraxis populärer Musikformen stammt,[6] nutze ich das Sonische als Analysekategorie für jede Musik, eben gerade auch für klassische Kirchenmusik. Ohne die klassische Musikanalyse zu vernachlässigen, sollen die neuen Ebenen zusätzlich einbezogen werden. Das geschieht in einer interdisziplinären Koppelung von Musik- und Kulturwissenschaft.

Das Sonische ist ein vielschichtiger Begriff, der klangliche Parameter, z.B. Timbre der Instrumente und Stimmen, Lautstärke, Farbigkeit des Klanges, ebenso einschließt wie emotionale Bedeutungen. In der Popmusik, so schreibt Susanne Binas, werden auch Herkunftsorte der Musiker oder Labels oder Produzenten z.B. beim Motown Sound oder Philly Sound mit dem Zusatz „Sound“ verbunden. Damit zeigt sich das Sonische als ein ästhetisches Kriterium, welches soziale und kulturelle Verhältnisse wiedererkennbar ausdrückt. Dies gilt auch für die Kirchenmusik. Einige Beispiele sollen dies belegen und ich beginne mit dem populären Gospelsound, der sowohl durch die Art der Songs als auch durch den Klang des Gesanges erkennbar ist. Auch Taizégesänge haben einen wiedererkennbaren Klang, der gleichzeitig eine bestimmte meditative Stimmung hervorruft. Jugendliche die in Taizé waren, werden durch diese Klänge automatisch an die dortige Gemeinschaft erinnert. Aber auch die klassische Kirchenmusik ist durch ihren Sound erkennbar. So klingen die Kirchenlieder in einem bestimmten Sound. Die Orgeln tragen dazu bei und sind, zumindest bei Kennern, auch durch ihren Sound zu erkennen. So ist die Klanggestalt einer Silbermann-Orgel sehr einfach von einem spätromantischen Werk der Firma Sauer zu unterscheiden. Die typisch französischen Zungenstimmen sind nicht mit dem Sound der Weichen romantischen (durchschlagenden) Zungen deutscher Provenienz zu verwechseln. Auch die Kirchenräume haben ihre spezifischen Klang, der die gotische Kathedrale vom Funktionsbau der 1960er Jahre unterscheidet.

Das Sonische wird auch deshalb hier als Begriff verwendet, weil es nicht zu den klassischen Begriffen der Musikanalyse gehört und somit auf das neue Verständnis hinweist. Harmonik, Rhythmik, Melodie u.a. musiktheoretische Begriffe werden zwar einbezogen, aber von ihrer Objektivität entkleidet. Es geht um subjektive Wahrnehmungsweise, die sich je nach Kontext, indem das Lied erklingt, verändern können.[7] Das Sonische ist ein Konzept, dass auf ganzheitlicher Wahrnehmung, also auf Intermodalität beruht. Die körperliche Wahrnehmung und nicht das Lesen und Analysieren von Noten stehen im Mittelpunkt. Es muss eine Sprache gefunden werden, die das Sonische beschreiben kann. Dimensionen können sein: Helligkeit, Volumen, Dichte, Rauigkeit, Intensität u.a. Beschreibungen nehmen Adjektive auf wie: dumpf, spitz, beißend, weich, süß oder sanft. Häufig werden intermodale Sinneseindrücke beschrieben, die taktile oder olfaktorische oder gustatorische Anklänge haben. Diese Dimensionen machen deutlich, dass es nicht um eine absolute Bewertung gehen kann, sondern um subjektive Wahrnehmungen und Eindrücke. Das Sonische ist unscharf, metaphorisch und vieldimensional und darin auch der Atmosphäre vergleichbar.[8]

 

Operationalisierung des Sonischen für die Analyse

Als erster Schritt sollte anhand der Erinnerung, des Beobachtungsprotokolls und des Videos eine „Soundgeschichte“ geschrieben werden. Inhalt dieser Soundgeschichte ist das eigene Erleben des Sonischen im Gottesdienst. Elemente für diese Geschichte ist das Hörbare der Musik, in emotionalen Adjektiven beschrieben. Dafür können Metaphern und Erinnerungen an andere Klänge genutzt werden. Es geht in dieser Geschichte um einen subjektiven Ausdruck des Erlebten mit einem Schwerpunkt auf dem klanglichen Erleben. Klänge werden nicht nur über die Ohren, sondern auch über den ganzen Körper wahrgenommen. Diesem körperlichen Befinden ist nachzuspüren. Auch wenn alle Worte nur eine vage Vorstellung des Gehörten andeuten können, ist dies kein Nachteil, sondern wahrscheinlich die einzige Form, um dem Erleben beim Hören nahe zu kommen. Vermutlich, so meine Hypothese, werden bei unterschiedlichen Hörern doch vergleichbare Eindrücke entstehen. Ein rauer oder harter Klang wird nicht von einem als weich und süß beschrieben werden. Ein festlicher Orgelsound als Präludium wird nicht als Trauermusik erlebt werden. Für diese These verweise ich auf die „kleinen sozialen Lebens-Welten“. Dieses Konzept hat Anne Honer[9] entwickelt und weist darin nach, dass in einem kleinen überschaubaren Ausschnitt der Kultur (anders als in der pluralen Kultur insgesamt), z.B. einem Gottesdienst die Menschen aktiv partizipieren können, die Nachbarn als verlässliche Mitspieler erlebt werden und ähnliche Relevanzsysteme bestimmend sind. Daraus folgt, dass das Erleben der Einzelnen ähnlich ist.

Da mein Zugang zum Sonischen sich nicht auf eine kulturwissenschaftliche Ebene beschränkt, sollten in die Soundgeschichten musiktheoretische Begriffe und Beobachtungen einfließen. Ob es sinnvoll wäre, falls vorhanden, Noten für die narrative Entfaltung zu nutzen, kann ich nicht genau einschätzen. Ich würde eher davon abraten, sondern alles musikwissenschaftliche sollte sich über das Hören erschließen. Im Unterschied zum tatsächlichen Gottesdienst kann der Ausschnitt, der analysiert wird, durch das Video mehrfach angesehen werden.

 

Eigenes Erleben oder erzähltes Erlebnis

In diesem Zwischenschritt soll darüber reflektiert werden, ob Soundgeschichten nur durch eigenes Erleben entstehen können. Anders gesagt: Ist es möglich, dass ich eine Geschichte eines Anderes als Grundlage meiner Soundforschung nutze.

Diese Frage versuche ich zu klären, indem ich mich empirischen Arbeiten über Atmosphären zuwende. Das Hauptproblem einer Atmosphäre und eines sonischen Erlebens für die wissenschaftliche Forschung ist die Übersetzung in das Medium „Sprache“.[10] Eine Atmosphäre spürt man körperlich oder wie Böhme sagt: man muss in bestimmter Weise leiblich anwesend sein, dann erlebt man die Atmosphäre in affektiver Betroffenheit.[11] Doch für diese Betroffenheit fehlen einem die Worte. Alle Beschreibungen sind nur vage und annäherungsweise. Die Unzulänglichkeit der Sprache gilt für meine eigenen Beschreibungen, die in gewisser Weise schon eine Ahnung haben, wie ich bestimmtes Erleben in Worte fasse, wie auch für Beschreibungen anderer.

Andreas Rauh hat über besondere Atmosphären gearbeitet und die Methode als aisthetische Feldforschung bezeichnet. Drei Kernpunkte umfasst diese Methode: alle Wahrnehmung wird als Wahrnehmung der Wahrnehmung aufgeschrieben; die Erinnerung kann ergänzt werden und Datenerhebung und Auswertung geschieht durch dieselbe Person.[12] Ein doppeltes Problem wird in dieser Vorgabe – eine Person für Datengewinnung und Auswertung – gesehen: einmal besteht die Gefahr einer zirkulären Interpretation. Als Forscher weiß ich um mein Vorhaben, das gottesdienstliche Erleben (auch das klangliche) später aufschreiben zu wollen. Kann ich deshalb wirklich kontrollieren, dass ich nicht schon beim Erleben an das Aufschreiben denke und so das, was ich analysieren will ins Erleben hineinlege? Gerhard Schulze hat in seiner „Erlebnisgesellschaft“ auf den „objektiven Erlebnisreiz“ hingewiesen, der als ein Faktor für die alltagsästhetischen Schemata bestimmend ist. Mit dem objektiven Erlebnisreiz wird die objektivistische Ästhetik aufgenommen. In den zu erlebenden Objekten, z.B. den Fenstern von Gerhard Richter im Kölner Dom, stecken, unabhängig vom Betrachter, ästhetische Erlebniseigenschaften. Doch, so Schulze, diese objektiven ästhetischen Merkmale können „kognitiv überformt“ werden.[13] Das heißt doch, dass man schon vorher wissen kann, dass man die Fenster toll findet und beeindruckt sein wird oder auch nicht und bekommt dann im Erleben eine Bestätigung dieser Einstellung.

Zum anderen ist in der Analyse der Atmosphäre bei Andreas Rauh eine zentrale Dimension das „Auf Einmal“ der Wahrnehmung einer Atmosphäre. Aus dem unbewussten der Atmosphäre taucht ‚Auf Einmal‘ etwas auf, was uns in besonderer Weise affektiv anspricht und einbindet.[14] Als Forscher, der diese Dimension kennt, warte ich geradezu, dass dieser Augenblick im Gottesdienst oder einer Kirchenraumerkundung oder einem Theaterbesuch eintritt. Doch das verfremdet das alltäglich Erleben. Diese beiden Einschränkungen, die in ähnlicher Weise für das sonische Erleben eines Gottesdienstes gelten, bedeuten, dass auch andere Wege für die Datengewinnung möglich sein sollten. Andreas Rauh nimmt zwei Exkursionen als empirische Beispiel auf, einmal ein Besuch im Dom und Dommuseum in Köln mit einem besonderen Blick auf die neuen Fenster von Gerhard Richter und als zweites einen Besuch im Kunsthaus in München. Sabine Shouten, die in ihrer Dissertation „Sinnliches Spüren“[15] Atmosphären im Theater untersucht, schildert detailliert eine Atmosphäre, z.B. in Sebastian Hartmanns „Gespenster“. Dafür hat sie sechs Aufführungen besucht.[16] Zu fragen wäre hier, ob Shouten die Atmosphären nicht zu stark an die Inszenierung und die äußeren Gegenstände wie Bühnenbild, Klang der Stimmen, Licht und Farben etc. bindet und die Seite des erlebenden Subjektes vernachlässigt.

M.E. sollten diese „Selbstversuche“ durch Erzählungen anderer ergänzt werden. Die dann vorliegenden Erzählungen über Atmosphären oder Sonisches sind wahrscheinlich nicht so detailliert wie die Erlebnisprotokolle der Forschenden, aber dafür berichten sie unbewusst von den Emotionen, die durch Klänge und Atmosphären ausgelöst wurden. Mit der Erzählforschung, z.B. Albrecht Lehmanns kann man die Bedeutung der Atmosphären für das Erinnern hervorheben: „Die Atmosphäre bleibt in Erinnerung, sie hält die Wirkung eines Ereignisses für die spätere Lebensgeschichte fest.“[17] Die Erzählungen anderer werden also nur besondere Erlebnisse schildern und nicht den Alltag, aber diese sind dann für die Analyse der Atmosphäre oder hier des Sonischen gut zu nutzen.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Das Problem über klangliche Erlebnisse zu erzählen wird nicht im Erleben gesehen, sondern in der Übersetzung in Sprache. Diese Schwierigkeit gilt für die Forschenden ebenso wie für alle anderen.

Als Form der Erzählung wird mit Clifford Geertz eine „dichte Beschreibung“[18] vorgeschlagen. Es werden nicht nur Fakten über den Ablauf des Gottesdienstes erzählt (dünne Beschreibung), sondern es werden (Be-)Deutungen für den Einzelnen erkennbar. Bedeutungen, die rationales und emotionales Erleben und Verstehen aufnehmen.

 

a) Soundgeschichten

 

Beispiel: „Wir danken dir, Herr Jesu Christ“ – Himmelfahrt, Kreuzkirche DD

Es folgt hier, als erstes Beispiel einer Soundgeschichte über das Himmelfahrtslied „Wir danken dir, Herr Jesu Christ“ aus einem Gottesdienst zum Kirchentag in Dresden. Nachteil dieser Geschichte ist, dass ich den Gottesdienst nur aus dem Fernsehen kenne.

Die Orgel setzt leicht und recht leise ein. Eine beschwingte Melodie mit einer hellen Registrierung, sie klingt fröhlich und erinnert mich an einen Vogel, der durch die Kirche flattert. Irgendwie ein Bild, was zu der Himmelfahrt passt. Doch in diesem Flattern durch lufte Höhen, erreicht mich die Melodie auch nicht. Ich lausche auf sie und sie gefällt mir, aber sie berührt mich nicht. Die tiefe Stimme ist kaum wahrzunehmen. Erst nach einer Weile höre ich die Choralmelodie, die unter der leichten Melodie verborgen ist. Eine kunstvolle Form, dieses Tenortrio, aber seltsam emotionslos. Technisch brillant! Beeindruckend für mich als Organist, doch erinnert es mich eher an akademisch Korrektheit und es fehlt mir das lebensnahe. Die helle Melodie huscht über die Töne und läuft dann, als wenn sie im Himmel verschwände, nach oben aus. Eine kurze Pause und dann setzt die Orgel in voller Lautstärke und Kraft ein. Erdiger Klang mit Mixtur und 16-Fuß. Keine leichter Flug gen Himmel, erdenschwere und recht abgehackt, so als sollte das Tempo durch die Akkorde vorangetrieben werden. Die Gemeinde setzt ein. Sie singt nicht gleich bei den ersten Tönen mit, doch dann höre ich den vielstimmigen Gesang. Man hört den großen Kirchenraum, der mit Klang erfüllt ist. Es ist ein erhabenes Gefühl, was sich körperlich bei mir einstellt. Der Sound ist unglaublich und ich höre in den Atempausen den Nachhall. Die Orgel dominiert den Klang und ist immer wieder recht abgehackt, während die Gemeinde sehr viel dichter klingt. Für die vielen Menschen, die in der Kirche singen, klingt es sehr einheitlich. Nur Orgel und Gemeinde passen nicht ganz zusammen, vom Tempo nicht und vom Klang nicht. In der zweiten Strophen begleitet die Orgel mit einem Tenor-c.f. Die Trompete klingt festlich. Der Text fliegt an mir vorüber, ich nehme ihn nicht wahr, nur das Halleluja bleibt in meinen Ohren hängen. Dieser österliche Jubelgesang greift mich emotional nicht an, er bleibt sehr verhalten in seinem Ausdruck. Obwohl der Klang sehr kräftig ist, wirken die Singenden in sich gekehrt, was auch durch die Bilder ausgedrückt wird. In der dritten Strophe ist die Trompete im Sopran und der wirkt jetzt doch strahlend. Heller und jubelnder erklingt das Halleluja. Dann bricht der Gesang und der Orgelklang ab. Die Menschen, die im Bild zu sehen sind, waren wohl darauf eingestellt, aber ich bin etwas erstaunt, denn der Schlusston klang nicht wie Schluss. Man hört leise Schläge von Holz auf Holz und dann beginnt eine Band zu spielen. Der Sound ist sofort ganz anders und auch der Rhythmus ist viel deutlicher zu spüren. Ein Piano und eine Gitarre sind zu hören, dann setzt ein Saxofon ein und spielt erst eine Melodie parallel mit dem Piano, dann erkenne ich die Melodie des Chorals, mal in tiefer, mal in hoher Lage. Sie ist rhythmisch peppiger. Fast unwillkürlich wippt mein Fuß mit. Ich muss darüber ein bisschen lächeln, wundere mich aber, dass die Gottesdienstteilnehmer im Bild zwar etwas mitwippen, doch ohne Lächeln oder sonstiger Regung. Ein Herr beugt sich vor, so als ob es etwas zu sehen gäbe, doch sein Blick bleibt distanziert. Dann kommt ein Gitarrensolo, der Gitarrist ist groß im Bild zu sehen. Auch ein Solo des Pianos folgt noch. Der Dreiertakt des Chorals ist in einen binären Rhythmus verändert. Die Band macht einige Schlussakkorde, die aber nicht harmonisch, sondern rhythmisch einen Schluss markieren, dann folgt, wie eine kleine Reprise noch einmal die Melodie im Saxofon. Die einstimmige Melodie zwischen Piano und Saxofon führt zur Coda. Fast atemlos endet das Bandzwischenspiel. Die Orgel setzt überraschend, weil nicht im erwarteten Tempo wieder im Tutti ein. Sie klingt in meinen Ohren seltsam fade, obwohl sie so laut ist. Blockartig brüllen die Akkorde im Gegensatz zu den filigranen Figuren der Band. Auch der Gemeindegesang hat nur wenig Schwung von der Band übernommen. Mit einem langen Schlusston, so als wollte man sagen, jetzt ist wirklich das Ende erreicht, klingt der Choral aus.

Das Erleben des Klanges unterscheidet sich zwischen dem Mitsingen und dem Hören. Das Mitsingen aktiviert die körperliche Wahrnehmung deutlich stärker.

 

Beispiel: Psalm 73 mit meditativem Zwischengesang der Gemeinde

Die Kantorin tritt ans Pult. Sie lädt uns ein, den Psalm mitzugestalten. Es geht um den 73. Psalm und der beginnt: Dennoch bleibe ich stets an dir. Das sagt der Psalmbeter (ich weiß natürlich, dass der Psalm so nicht anfängt). Dafür lernen wir, die Gemeinde, einen kurzen Vers: „Ich bleibe, ich bleibe“. Gleich hier bin ich abgelenkt. Diese Reduktion auf zwei Worte ergibt nicht wirklich Sinn. Die Kantorin weist darauf hin, dass es bedeuten könnte, dass wir uns dem Beter anschließen. Aber es könnten auch Gottes Worte „ich bleibe“ an uns sein. Doch das fühle ich nicht. Ich werde eher an die Wendezeit erinnert, wo wir in Leipzig und Dresden riefen: Wir bleiben hier! Der Frauenchor, der im Gottesdienst ist, soll zu unserem „Mantra“, Ostinato den ganzen Vers singen. Da tritt plötzlich Ruhe ein. Ich bin überrascht und sehe die Kantorin, die nach dem Anfangston sucht. Ich spüre Unsicherheit. Sie singt die erste Stimme vor, die die Grundlage bilden soll. Angekündigt hat sie eine zweite Stimme.

Der Klang der Stimme ist etwas gedrückt, keine freudige Entscheidung zu Bleiben, es klingt wie aushalten, wie festhalten. Die Töne sind nicht genau zu erkennen, doch wir stimmen ein und suchen uns eine passende Melodie. Ein Ton klingt immer ungenau, falsch, dadurch herb. Soll es nun ein h oder ein b sein? Ich fühle mich etwas unwohl und habe nicht so richtig Lust zu singen. Der Klang erreicht mich nicht. Dann erklingt die Oberstimme. Die Stimme der Kantorin klingt jetzt hell und rund. Doch aus der Gemeinde singen kaum welche mit. Die Kantorin feuert an, das hilft etwas. Ich fühle, dass wir nicht richtig ins Singen kommen. Die Kantorin unterbricht sich immer, feuert uns an, erklärt, dass die Stimme gar nicht hoch ist und wie der Ablauf sein soll. Dann endlich können wir zusammen singen.

Als wir dazu einstimmen klingt der falsche Ton weiterhin falsch und erklingt zu dem schönsten und klarsten Ton der hohen Stimme. Der Klang wird voller. Der Chor stimmt ein. Ich höre die Mollterz der Subdominante, doch da dann die Durdominate fehlt, bleibt der Klang herb und offen. Der Klang bleibt distanziert. Ich verstehe keine Worte vom Chor. Dann folgen die ersten Verse der Pfarrerin. Bekannte Worte. Ruhig und unaufgeregt gelesen. Wir stimmen wieder in den Kehrvers ein. Langsam stellt sich eine meditative Wirkung ein. Die vielen Wiederholungen beruhigen, der Klang steht in der Kirche und ich spüre das gleichmäßige Schwingen des Rhythmus. Die zweiten Psalmverse der Pfarrerin klingen unauffällig, bis zum Wort „Freude“, da hebt sich die Stimme und ich werde aufmerksam. Wieder setzt unser Kehrvers ein. Er verändert sich klanglich nicht. Keine Steigerung, keine Zunahme der Intensität, gleichmäßig meditativ singen wir. Ich fühle keinen Kontakt zu den Nachbarn. Unser Gesang ist eher ein Aushalten, im Gegensatz zum Psalm, der von Zuversicht und Freude spricht. Am Ende franzt der Gesang aus. Wir hören auf zu singen, aber im Chor erklingen noch einige Töne, die dann abrupt abbrechen. 

 

 

Beispiel: „Mit Freuden zart“ – Choral in drei Strophen

Gottesdienst am Sonntag Jubilate in der Winterkirche des Doms zu Halberstadt. Es ist ein Themengottesdienst „Freiheit“. Dazu werden mehrere Gottesdienste abgehalten, zu denen dann bestimmte Bibeltexte von den Pfarrern ausgewählt werden. Ein kleiner Chor singt in dem Gottesdienst. Das Wochenlied „Mit Freuden zart“ wird in jeder Strophe anders gesungen. Die erste singt der Chor, die zweite die Gemeinde und die dritte wird in experimentellem Singen entfaltet.

Ich singe im kleinen Chor mit.

Die Melodie setzt bei dem Chorsatz von Alfred Stier als erstes ein, kanonisch verfolgt vom Tenor. Der Satz ist sehr polyphon gehalten. Ich merke, wie ich mich auf meine Stimme in den Noten konzentriere und den Klang etwas vernachlässige. Wir singen und klingen mit den jungen Stimmen aber gut, kraftvoll und hell. Doch der Klang wirkt etwas hektisch und das Kraftvolle könnte auch als kämpferisch interpretiert werden. Ich spüre, dass es nicht so deutlich zu einem Miteinander kommt, sondern jede Stimme singt ihre Melodie, was ja im polyphonen auch so angelegt ist. Rhythmisch sind wir nicht immer ganz ausgewogen und dadurch wirkt es ein wenig schrill. Die tiefen Grundtöne der Männer sind kaum zu hören. Dadurch klingt es sehr hell und hoch.

Die Gemeinde setzt bei der zweiten Strophen fast gleichzeitig mit der Orgel ein. Ich spüre gleich die Klangwelle, die den Chor mitnimmt und viel tiefer, voller und sonorer klingt. Der Klang ist der gewohnte Sound eines Chorals. Der Raum wird mit Klang gefüllt. Die hohen Töne klingen leicht angestrengt, aber doch überzeugt die Kraft, mit der die hohen Töne angesteuert werden. Insgesamt überwiegt der Männerklang, was aber dadurch nicht schrill und hart, sondern eher sonor und warm wirkt.

Nach der zweiten Strophe entsteht eine kleine Pause, weil der Kantor nach vorne geht und sagt, dass er uns die Freiheit gibt, kleine Anspielung auf das Thema des Gottesdienstes, zwischen drei Themen zu wählen. Das erste ist ganz schlicht und bringt die Osterfreude zum Ausdruck: Halleluja, auf Halbe gesungen. Sie klingen fast wie Glockenschläge. Das ist der Grundschlag und –klang. Die zweite Stimme singt ein Motiv aus der Melodie: Denn Jesus Christ erstanden ist. Wir singen es einige Male, der Übergang zwischen den Wiederholungen klappt nicht gleich, aber dann singen wir uns zusammen. Als dritte Motiv wird die Melodie mit der dritten Strophe gesungen. Jetzt erklingt das Halleluja. Tief und wohltönend schwingen die Töne sich auf den Halberhythmus ein. Das zweite Motiv tritt hinzu, wie eine Begründung des Jubels aus der Tiefe. Ich entscheide mit für dieses zweite Motiv: denn Jesus Christ erstanden ist. Es macht Spaß, dies zu dem pulsierenden Grundton zu singen. Dann stimmt die Melodie mit ein. Obwohl sich die Klänge manchmal reiben, erfüllt sich der Raum mit diesen Tönen und man sieht, wie engagiert die Singenden sind. Ich bin umhüllt von Tönen und Klängen. Wie halten den letzten Ton lange aus und noch einmal lege ich alle Kraft hinein, sodass dieser Ton besonders klangvoll ist.

 

Beispiel: „Fröhlich, fröhlich ist das Volk“

Als erstes schreibe ich mein Erleben des Sounds von dem Lied „Fröhlich, fröhlich ist das Volk“:

Nach der Ankündigung, dass mit dem folgenden Lied die Kinder in den Kindergottesdienst verabschiedet werden, drei Kinder laufen sofort nach vorne, zwei weitere während des Orgelvorspiels, beginnt die Orgel. Sie ist sehr hell registriert. Das Vorspiel beginnt mit einem Achtellauf vom Grundton zur Quinte (leider am Anfang in Dur und erst bei der Wiederholung in Moll), hüpfend und leicht gespielt, vermittelt es mir den Eindruck eines Kinderliedes. Die Melodie erklingt dann etwas versteckt in der Oberstimme. Der Eindruck eines Kinderliedes verlässt mich nicht. Erst viel später, bei der Analyse merke ich, dass das Lied nicht wirklich für Kinder gedacht, sondern ein Morgenlied ist, das Gottvertrauen ausdrückt. Aus den Interviews, besonders mit F1 ist mir deutlich, dass das erste Wort das bestimmende Gefühl auslöst: fröhlich. Dabei ist dieser Anfang musikalisch sehr markant, weshalb das Wort so dominiert. Es ist allerdings das Wort, was am schlechtesten aus dem englischen Original übertragen wurde. Dort heißt es „Happy“, was besser mit „glücklich“ übersetzt wäre und dann auch dem Psalm entsprechen würde. Diese nachträglichen Reflexionen sind hier vielleicht nicht am optimalen Platz, aber sie haben mit meinem Gefühl beim Singen zu tun. Anders als F1 bin ich etwas peinlich berührt von dem Anfang, sowohl musikalisch als auch textlich. Gerade bei dem Anfang fühle ich mich etwas gequält bei den hohen Tönen von „fröhlich“. Ich bin körperlich nicht motiviert. Das liegt wohl auch an dem Vorspiel, welches mit einem Achtellauf nach oben, vom tiefen Grundton anfängt. Gerade die ersten Töne werden auch nicht von vielen mitgesungen. Es klingt sehr abgehackt und erinnert auch darin an ein Kinderlied. Die vielen Tonwiederholungen führen nicht zu einer klangvollen Melodie. So fällt in jedem Kehrvers der Anfang auf, es klingt nicht frei und emotional, sondern bemüht den hohen Ton zu treffen. Die Orgel treibt uns ein bisschen. Nach meinem Gefühl wird sie oft gegen Ende des Kehrverses und der Strophe schneller. Da stellt sich ein gewissen Unbehagen ein, ich fühle mich getrieben. Der Klang wird so auch etwas schrill, weil ja auch die Orgel im ganzen Lied sehr hell registriert ist.

 

Beispiel: „Der Lärm verebbt und die Last wird leichter“

Nach dem schwungvollen und lauten „Die güldne Sonne“ wird nun ein neues Lied in einer anderen Stimmung gesungen. Leider wird auch hier wieder viel vorab erklärt und festgelegt, sodass der Sound nicht spontan entsteht und vom Lied ausgeht, sondern schon von verbalen Einführungen beeinflusst ist. Doch nun zum klanglichen Erleben.

Als wir zu singen beginnen, singen wir auf die Tonsilbe „du“. Ein dunkler, ruhiger Klang entsteht. Melancholische Stimmung verbreitet sich, obwohl wir noch nach den richtigen Tönen suchen und ich in meiner Umgebung unterschiedliche Töne nach den Sprüngen höre. Gegen Ende der ersten Strophe vereinheitlicht sich der Klang. Ich habe das Gefühl, dass die Stimmen miteinander verschmelzen. Obwohl die dunkle und geschlossene Silbe „du“ erklingt, wirkt es doch positiv und hoffnungsvoll auf mich. Die Dunkelheit wird durch ein lichten Schimmer verwandelt und wirkt angenehm, eine leuchtende Dunkelheit. Der Text folgt dann und vergröbert die Feinheit des Klanges. Ich suche nach dem alten feinen Klang, jenseits der Worte und ihrer Bedeutung. Die Worte behindern das ruhige Fließen der Melodie. Aber wir kennen die Melodie besser und einige Worte unterstützen mein Gefühl, z.B. leichter, Vertrauen, Nacht, Ruhe, aufblühen. Die zweite Strophe wirkt klanglich viel ausgeglichener als die erste. Wir haben uns auf den Text eingestellt. Er fällt mir beim Singen nicht wirklich auf, auch wenn er mich etwas stört. Später finde ich, dass er teilweise konträr der ersten ist. Die erste Strophe beginnt mit dem Verb „verebbt“, während die zweite an gleicher Stelle, sehr gegensätzlich, „aufblühen“ steht. Doch das ruhige Singen, der ausgeglichene Klang wirkt in der zweiten Strophe stärker, der Text verschwimmt und bleibt beim Singen nicht in meinem Verstehen haften. Als Abschluss singen wir a cappella wieder auf „du“ und hier bin ich am intensivsten beteiligt. Der lichte Klang dieser dunklen Silbe fasziniert mich. Die Stimmen klingen wie eine, wir sind ein Klanggefüge, ruhig, etwas melancholisch, sehnsüchtig und weich klingen unsere Stimmen zusammen. Der letzte Ton verklingt in der Stille, fast atemlos lausche ich hinterher.

 

Beispiel: „Vorbei sind die Tränen“

Nach einer kurzen Einführung von Bandleader setzt die Band ein. Sie spielt sehr rhythmisch von einem Schlagzeug unterstützt, ohne das dies aufdringlich wird. Sofort spüre ich, wie der Rhythmus den Körper ergreift, ich wippe mit und merke, dass auch meine Nachbarn sich einschwingen. Wir lächeln und wippen zusammen. Ein ganz neues Gefühl an diesem Morgen. Dann beginnt der Gesang. Fröhlich fühle ich mich, befreit singe ich von den Tränen und dem Weinen, dem Schmerz und dem Elend, alles wird neu. Das Neue wird sein, das merke ich mir und so klingt das Lied und mein Gesang. Wahrscheinlich kennen nicht viele das Lied, denn es ist nicht sehr laut gesungen, der Bandleader ist kräftig durchs Mikrofon zu hören. Die zweite Strophe geht schon besser. Allerdings verliert das Singen an Schwung und an modernem Sound. Es nähert sich dem Klang eines Kirchenliedes an. Dann übt der Bandleader sehr ausführlich zwei Klatschrhythmen. Die machen Spaß, bringen auch einen neuen Sound, aber es ist auch recht schwer. Selten stimmen meine Klatscher mit dem überein, was mein Nachbar klatscht. Doch wir lächeln uns an, etwas verlegen, aber doch einander verstehend. Wir singen weiter und das Klatschen beflügelt auch wieder den modernen Sound. Dann singen und klatschen wird den Rhythmus beim Kehrvers, die dritte Strophe und wiederholte Kehrverse folgen. Wir sind alle begeistert und singen diese fröhliche Lied, was von etwas ganz Neuem singt.


b) Klanganalyse in Tabellenform

 

Die Analyse der Soundgeschichte fasst unter anderem in einer Tabelle die Charakteristika der Klänge und ebenso die Kontexte, die auf dem Video zu sehen sind, zusammen. Mit diesem Schritt soll ein wenig das individuelle des Erlebens in vergleichbare Worte übersetzt werden, damit ein Vergleich mehrerer Videos möglich wird. Dazu gehört auch die Beobachtung der genutzten Klangerzeuger wie Instrumente, menschliche Stimmen (Männer, Frauen, Kinder etc.) u.a., um so den „Kirchensound“ näher beschreiben zu können.

 

 

 

 

 

Parameter

EG 121 Himmelfahrt, Kreuzkirche DD

Psalm 73 Kehrvers Paul Gerhardt L

EG 108 Halberstadt Winterkirche

Allgemeine Klang- Beschrei­bung, mit Unterteilung, z.B. in Strophen: hell, voluminös, dicht, rau, intensiv, spitz, dumpf, süß, weich, sanft. Timbre In­stru­mente & Stim­me, Farbigkeit, emotionale Bedeutung etc.

Vorspiel: leicht, leise, beschwingte Melodie flattert fast wie ein Vogel. Aber erreicht mich emotional nicht. Tiefe Stimmen kaum hörbar, C.F. sehr versteckt. Leichte Melodie fliegt nach oben zum Schluss.

Bruch!

1. Orgel setzt im Tutti ein. Erdiger Klang, abgehackt. Gemeinde setzt etwas später ein. Vielstimmiger Gesang, Kirchenraum füllt sich mit Klang, man hört den Hall. Erhabenes Gefühl spüre ich auch körperlich. Orgel abgehackt, Gemeinde dichter.

2. Tenor-c.f. mit Trompete, klingt festlich. Text nehme ich nicht wahr, nur das Halleluja. Dies klingt nicht jubelnd und erreicht mich emotional nicht. Singenden wirken in sich gekehrt.

3. Trompete im Sopran, wirkt strahlend. Jubel des Halleluja etwas stärker zu spüren. Hellerer Klang.

Band: Sound ganz anders, Rhythmus viel deutlicher. Melodie wird vom Saxofon gespielt, rhythmisch peppiger. Mein Fuß wippt unwillkürlich mit und ich lächle. Gemeinde wippen auch einige, kein Lächeln. Dreiertakt des Chorals in Binären Rhythmus verändert. Atemloser Schluss.

4. Orgel setzt überraschend ein. Tutti, aber fader Klang. Hart und etwas brüllend wirkt sie, gegenüber den filigranen Klängen der Band. Gemeinde klingt nicht sehr schwungvoll.

Gemeindekehrvers: Text: Ich bleibe. Könnten Gottes Worte an uns sein, das fühle ich nicht. Mantra-artige Wiederholungen. Spüre Unsicherheit.

Klang ist gedrückt, keine freudige Entscheidung „ich bleibe“. Klingt wie aushalten. Ein Ton ist unsauber und klingt herb. Ich fühle mich nicht wohl, wenig Lust zum Singen. Klang erreicht mich nicht. Oberstimme klingt hell und rund. Wir kommen nicht ins Singen. Zweistimmig: unsauberer Ton bleibt und klingt zum schönsten und klarsten Ton der Oberstimme. Chor setzt ein, vollerer Klang. Mollterz, aber trotzdem herber Klang/Harmonie. Nach und nach bei den Wiederholungen entsteht meditative Wirkung. Wiederholungen beruhigen. Spüre das gleichmäßige Schwingen. Pfarrerin liest Psalmverse, bei „Freude“ hebt sie die Stimme. Dann wieder der Kehrvers, immer gleich, keine Steigerung im Klang oder Intensität. Eben nur meditativ. Keine Freude und Zuversicht wie im Psalm, sondern Aushalten.

1. Chor singt die erste Strophe. Ich singe mit. Sehr polyphon, ich konzentriere mich auf meine Stimme, vernachlässige den Klang. Junge Stimmen klingen kraftvoll und hell. Klang etwas hektisch, kraftvoll könnte auch kämpferisch wirken. Spüre nicht das Miteinander, jede Stimme für sich. Klang etwas schrill. Die tiefen Grundtöne der Männer sind kaum zu hören, deshalb ist der Klang hoch und hell.

2. Gemeinde setzt ein. Große Klangwelle spüre ich. Tiefer, voller und sonorer Klang. Die hohen Töne sind etwas angestrengt, aber haben Kraft. Der Männerklang überwiegt, deshalb nicht hart und schrill, sondern sonor und warm.

3. Drei Motive: Halleluja, auf Halbe – Grundlage und Klang wie Glockenschläge. Osterfreude ganz elementar auf einem Ton. Tief und wohltuend schwingen die Töne des Halleluja durch die Kirche. Zweite Motiv begründet die Freude aus der Tiefe: Denn Jesus Christ erstanden ist. Ich singe die zweite Stimme, es macht Spaß. Melodie mit dem Text der dritten Strophe beginnt. Zwar Reibungen in den Klängen, aber alle sind offen, fröhlich und schauen nach oben. Engagiertes Singen. Die Töne umhüllen uns. Letzter Ton besonders kraftvoll.

Laut

Choralstrophen

 

2. und 3. Strophe

Leise

Orgelvorspiel, Band mittellaut

Mittellauter Gesang

Chorgesang ist recht leise.

Weich

Etwas Gemeindegesang

Relativ weich der Gemeindegesang

Chor

Hart

Orgel bei der Begleitung

 

Teilweise in der 3. Strophe

Klangbetont

Etwas Gemeindegesang

Ja

Ja

Rhythmus-betont

Band

Nein

Nicht direkt, aber in der 3. Strophe pulsiert der halbe Rhythmus.

Harmonik

Schlichte Durharmonik in der Orgel und in der Band

Gemeinde zweistimmig, dann Chor mit einigen harmonischen Akkorden, aber nicht gut zu hören.

1.Str.: recht polyphoner Chorsatz, harmonisch im Stil der Singbewegung. 2.Str. Choralbegleitung traditionell. 3. Str. experimentelles Singen, ergibt Reibungen und schöne Klänge.

Melodie

Leicht beschwingte Melodie eines Osterliedes. Band nimmt deutlich die Melodie auf, verändert sie rhythmisch

Sehr schlicht.

Kraftvolle Kirchenliedmelodie. Oktavumfang, der immer wieder umschlossen wird. Eher statischer Eindruck, der im Singexperiment unterstützt wird.

Rhythmus

Band spielt sehr rhythmisch, aber nicht aufdringlich

Fällt nicht auf, aber durch die vielen Wiederholungen, spürt man den Ruf als Rhythmus

Nicht auffallend, auf Halbe pulsierend

Arrangement

Klassisch Orgel und Gemeindegesang, nur das Bandzwischenspiel ist anders.

Zweitstimmig mit Oberchor, einfacher Gesang

 

Instrumente

Orgel; Band mit Saxophon, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Piano

A cappella

A cappella und Orgel

Verwendeter Stil

Vorspiel = Tenortrio; Choralstrophen = Lied; Band. 3 Stilarten recht unverbunden nebeneinander

Einfacher Ruf

Chorstrophe, Gemeindelied und moderne Gemeindestrophe

Groove

 

 

 

Stimmklang

Kräftiger sonorer Gemeindegesang

Sehr gleichmäßiger Stimmklang, Oberstimme recht hell, Unterstimme eher mulmig.

Kraftvoll, Gemeinde klangvoller als Chor, der etwas hell und oberstimmenlastig wirkt.

Eigenes Körperer­leben

Gemeindegesang und Klang in der Kirche lässt den ganzen Körper mitschwingen. Bei der Band wippt der Fuß und man spürt den Rhythmus.

Unsicheres Gefühl, nach einigen Wiederholungen aber Beruhigung

Beim Chorgesang eher distanziert und kognitiv auf die eigene Melodie fixiert. Bei den beiden Gemeindestrophen dann von den Tönen umhüllt und schwingendes Körpergefühl

Raumeindruck

Großer Hall, besonders beim Gemeindegesang

Man hört den Chor aus weiter Ferne, aber nur sehr leise, Raum kommt wenig zur Geltung.

Der Raum füllte sich nach und nach mit Klang, wenig Nachhall.

Verände­rungen im Verlauf

Leiser Anfang, dann recht laut bei der Gemeinde, Band ganz anderer Sound.

Von Unsicherheit zum ruhigen Singen

Steigerung vom Chor bis zum Experiment.

Sonstiges

 

 

 

Textbeo-bachtungen

Text fällt nicht auf, nur das Halleluja, was aber emotional nie wirklich klingt.

Text ist irgendwie unsinnig, die Psalmvers dazwischen sind bekannt.

Doch das Einfache der beiden Worte: „Ich bleibe“ kann auch faszinieren. Dieses Ich, das ich singe erklingt vielfach und verstärkt meine Konzentration, es erklingt auch noch, wenn ich aufhöre zu singen, ich kann nicht aus der Gemeinschaft herausfallen.

Gerade in der letzten Strophe war der Text nicht wichtig, sondern das „Wie“ des Singens, das die Osterfreude ausdrücken sollte.

Bild-Ton

Bild zeigt einzelne der Gemeinde, die in sich gekehrt sitzen und singen, der Ton passt nicht ganz, denn es klingt sehr kräftig. Auch das wiederholte Halleluja wird nicht auswendig gesungen.

Stimmen überein. Gemeinde sitzt sehr ruhig da und so klingt es auch.

1. Gemeinde guckt zum Chor, sitzt ruhig da.

2. Gemeinde in die Noten, singen kräftig.

3. kommunikative Situation zwischen Singenden und Kantor. Bild und Ton stimmen überein.

körperliche Reaktionen

allgemein

Gemeinde sitzt eher unbewegt in den Bankreihen, aber als die Band spielt, wippen viele im Rhythmus

Kaum körperliche Bewegung, was ja auch zum meditativen Gesang passt. Meditative Haltung, man schwingt sich ganz auf die Musik ein, Aufmerksamkeit nur auf die Musik.

Blicke zum Chor. Beim Singexperiment hört man Lachen und sieht die Bewegungen der Singenden, sie schauen nach vorne. Insgesamt überwiegt aber die Kirchenhaltung.

Person a

junger Mann im blaugestreiften T-Shirt: schaut lächelnd beim Halleluja aus den Noten (Str. 1 & 2), beobachtet die Band lächelnd. Man kann erkennen, dass er eine Verbindung zu seinen Gefühlen aufnimmt.

Viele sitzen in Aufmerksamkeitshaltung da, denn sie haben gerade etwas gelernt und wollen es richtig machen. Also auch ein bisschen Angst, etwas falsch zu machen, sich zu blamieren.

 

Person b

älterer Mann im weißen Hemd: sitzt ruhig da und singt mit, beim zweiten Halleluja, ein wenig den Kopf gehoben. Beim Bandzwi­schenspiel wippt er im Rhythmus.

 

 

Person c

Saxofonspieler: bewegt sich recht eckig im Rhythmus, vollzieht eini­ge Melodiebewegungen körperlich mit, z.B. hoch auf die Zehen­spitzen.

 

 

Person d

 

 

 

Interviews

 

In einer Gesprächsrunde wird sehr ausführlich über das Singen erzählt. Einige kontroverse Meinungen tauchen auf. Aber der konkrete Gottesdienst hat allen gefallen, doch zum Psalm sagt niemand etwas. In einer Zuschrift wird das Wort „Mantra“ kritisiert. Nur F2 sagt, dass sie auch Neuem gegenüber offen sein möchte. Allerdings meint sie wohl eher Lieder.

Das Singexperiment wurde ausführlich besprochen. Es gefiel allen und alle empfanden den tollen Klang. F2 sagte, dass sie das Motiv zwei dann aber langweilig fand. Darauf wurde sie bestürmt mit Hinweisen, was sie hätte machen können. Das bedeutet, dass die anderen dies nicht gelten lassen wollten.

 

 

Dass der Psalm als neues experimentelles Singen nicht direkt angesprochen wird, fällt auf im Vergleich zu HBS.

 

 

 

 

Bei der Klangfarbenwahrnehmung hat Carl Stumpf die erste Beschreibung in drei Gegensatzpaaren vorgenommen: dunkel – hell; stumpf (weich) – scharf (rauh) und voll (breit) – leer (dünn).

 

Auch Begriffe aus der Optik wie Helligkeit, Farbe, Volumen, Ausdehnung, Gewicht, Dichte und Größe werden für die Klangbetrachtungen genutzt.[19]

 

 

 

Parameter

„Fröhlich, fröhlich ist das Volk“ SvH 0129, Leipzig PG

„Der Lärm verebbt“ HH

„Vorbei sind die Tränen“ HH

Allgemeine Klang- Beschrei­bung, mit Unterteilung, z.B. in Strophen: hell, voluminös, dicht, rau, intensiv, spitz, dumpf, süß, weich, sanft. Timbre In­stru­mente & Stim­me, Farbigkeit, emotionale Bedeutung etc.

Vorspiel: sehr helle Orgelregistrierung, fast etwas spitz

Die Orgel bleibt bei allen Strophen in dieser Registrierung.

1. Str.: Gemeinde kommt erst langsam in die Melodie, es klingt abgehackt und dadurch etwas hart. Auffallend ist der erste Ton, er klingt etwas bellend.

2. Str.: guter Gemeindeklang, bis auf den ersten Ton recht einheitlich, aber die Orgel ist disparat und dadurch spitzer, unruhiger Klang.

3. Str.: weiterhin helle und spitze Orgel, Gemeinde recht hart und abgehackt. Besonders die Strophen klingen stampfend, weil jede Viertel betont wird.

Melodie wird auf die Tonsilbe „du“ gesungen. Ruhig, dunkel und weich klingt es. Melancholisch ist die Empfindung.

1. Str.: Text ist recht hart und dominiert am Anfang die Melodie.

2. Str.: Klingt viel weicher, der Text „stört“ nicht mehr, er fällt kaum auf. Der Klang wird wieder intensiver und weicher.

„du“: der Schluss ist von einer leuchtenden Dunkelheit, ruhig, friedlich, weich und doch ein sehr farbiger Klang. Die Stimmen klingen sehr einheitlich, dicht und intensiv, eine besondere Stimmung. A cappella.

Bandvorspiel: ein Rhythmus beginnt, leise aber gut hörbar und wir schwingen uns darauf ein, wippen im Rhythmus und lächeln frei.

1. Str.: der Klang ist ganz neu, wenn er auch recht leise ist und durch die Mikrofonstimme dominiert wird. Im Kehrvers klingen wir enthusiastischer, freier.

2. Str: der Klang verändert sich etwas, wir singen mehr im Kirchensound und nicht mehr so stark im modernen Bandsound.

Klatschrhythmus: es hat zwar viel von einer Schulstunde, aber doch spüre ich die Freude und erfreue mich an dem neuen Sound.

3. Str.: gerahmt vom Kehrvers mit Klatschen, sind wir aktiv und fröhlich wie vorher noch nicht.

Laut

Mittellaut

Nein

Ja

Leise

 

Leise

Nein

Weich

Nein

Sehr weich und rund

Eher nicht

Hart

Etwas

Nur der Anfang der 1. Str.

Etwas, aber auch etwas verwaschen im Rhythmus

Klangbetont

Nein

Ja

wenig

Rhythmus-betont

Keine ausgeprägt Betonung, aber durch Viertelbetonung stampfend.

Nein

Ja, sehr

Harmonik

Sehr schlicht: t, D und selten s

Schlicht und unauffällig

Einfach, aber zwischen Dur und Moll wechselnd.

Melodie

Nicht sehr melodiös. Am Anfang die abwärtsgerichtete Quarte, dann ein kleines Melisma, was aber durch die Tonwiederholungen in der Strophe nicht zu einer wirklichen Melodie führt.

Melancholisch und sehr emotional durch die Spannung fis-b

Modern, rhythmisch, gut singbar

Rhythmus

 

 

Latin, die punktierten werden immer ungenauer und das stockend vorwärtsdrängende fehlt.

Arrangement

Melodie wird hervorgehoben, Harmonien auf einem leiseren Manual, aber sehr schlicht, manchmal die Viertel durchpulsierend, was zu einer Verstärkung der Viertelbetonungen führt.

Die Orgel ist nur leise zu hören und stört nicht, das a cappella am Ende ist am intensivsten.

Band

Instrumente

Orgel

Orgel, aber nur zarte Begleitung

Band

Verwendeter Stil

Es klingt wie ein Kinderlied durch die Art der Orgelregistrierung und des Spielens.

Volkslied aus Schweden

Latin

Groove

 

 

 

Stimmklang

In den hohen Lagen etwas gequält, ansonsten abgehackt und dadurch recht hart.

Sehr weich, dunkel und hell gleichzeitig, sehr einheitlich für die vielen Singenden.

Mikrofonstimme etwas rauchig, ansonsten zwar frisch und fröhlich, doch auch ein bisschen Kirchenfromm

Eigenes Körperer­leben

Ich singe zwar gerne mit, aber ich fühle mich auch etwas unwohl: hohe Töne, stampfender Gesang, treibende Orgel

Mein Körpergefühl ist ganz ausgeglichen

Sehr bewegt, der Rhythmus reißt mich mit, ich will eigentlich nicht sitzen bleiben, der Klatschen hilft dann.

Raumeindruck

Die Kirche wirkt hell und freundlich, die Kinder laufen nach vorne und verschwinden durch die Sakristei, der Pfarrer sitzt im Chorraum und geht dann auf die Kanzel.

Wir sind in einer Messehalle, die nicht wirklich schön ist. In meinem Forschungstagebuch habe ich dies beschrieben. Aber bei diesem Lied fällt der Raum nicht auf.

Durch Singen und Klatschen fällt mir der Raum nicht auf.

Verände­rungen im Verlauf

Der Gesang wird nach und nach kräftiger, ohne dass ich denke, dass er besser klingt, aber wir lernen das Lied.

Der Gesang wird immer intensiver. Bei der 1. Str. ist es noch etwas unsicher und hart, dann weich und innig.

Der deutliche Rhythmus wird etwas eingeebnet.

Sonstiges

 

 

 

Textbeo-bachtungen

Es dominiert das Wort „fröhlich“ am Anfang, weil es das erste ist und auch auf dem höchsten Ton, der nur hier vorkommt, beginnt.

Der Text stört fast ein bisschen die Stimmung. 2. Str. tritt der Text in den Hintergrund. Die „du“-Str. sind am einnehmendsten.

Die biblischen Anklänge sind mir sehr bewusst.

Bild-Ton

Im Bild ist zu sehen, dass einige noch nicht das SvH aufgeschlagen haben, im EG suchen und dann schauen mehrere aus einem Buch, was auch das Singen etwas behindert. Das erklärt den Klangzuwachs, weil nach und nach die Melodie bekannt wird und alle das Lied im Buch gefunden haben.

Im Bild ist zu sehen, dass eine größere Gruppe am Anfang die Halle verlässt, aber dann breitet sich Ruhe aus. Bild und Klang stimmen sehr überein.

Stimmen überein. Fröhlicher Gesang, bewegte Menschen und rhythmusbetont.

körperliche Reaktionen

allgemein

Wenig körperliche Reaktionen.

Körperlich wird eine sehr ruhige und in sich gekehrte Haltung eingenommen.

Fast alle bewegen sich sichtbar im Rhythmus. Beim Bandvorspiel und beim Klatschen ist das besonders deutlich.

Person a

Fünf Kinder laufen nach vorne

F4 ist sehr in sich gekehrt bei diesem Lied und hat wohl Tränen in den Augen

M1 bewegt sich sehr frei, doch klatscht er häufig falsch und man sieht ihm an, wie angestrengt er ist. Singen und Klatschen funktionieren nicht zusammen.

Person b

Ein Vater winkt seinem Kind mutmachend nach.

 

 

Person c

F1 singt recht frei, lächelt, schaut zu ihrem Mann, bewegt den Arm und das Buch im Viertelrhythmus.

 

 

Person d

 

 

 

Interviews

F1 sagt, dass ihr dieses Lied am Besten gefallen hat. Es hat ihr gut getan, war fröhlich und belebend und gar nicht traurig.

F2 sagt, dass sie die Lieder aus SvH gut kennt und gerne mag. 0129 fand sie heute am Schönsten. Sie nimmt aber nicht ausfürhlicher das Lied „Fröhlich“ auf.

M2 sagt, dass diese modernen Lieder ihm nicht gefallen, sie erinnern ihn an Schlager. Er singt lieber die alten Lieder.

F1 nimmt dieses Lied als Beispiel für eine nachdenkliche Stimmung.

 

 

 

 

In der folgenden Tabelle sind die Parameter des Sonischen noch stärker verallgemeinert, sodass ein Vergleich zwischen den Liedern möglich wird.  

 

 

 

Kategorie

EG 121

KV Psalm

EG 108

SvH 0129

Lärm vereb

Vorbei Trä

Lautstärke

Laut

 

Strophen

 

 

Str. 2 + 3

 

 

 

X

Mittellaut

Vorspiel & Band

x

 

X

 

 

Eher leise

 

 

Str. 1 Chor

 

 

 

leise

 

 

 

 

X

 

Klangeindruck

Weich

 

 

 

Str. 1 Chor

 

 

X sehr

 

Etwas weich

Gemeinde

X

 

 

 

 

Eher hart

 

 

Str. 3

x

x Anfang S.1 wegen Text

X

hart

Orgelbeglei

 

 

 

 

 

Tempo

Schnell

 

 

 

 

 

 

 

x

Mittelschnell

X

 

x

X

 

 

Eher langsam

 

x

 

 

 

 

langsam

 

 

 

 

x

 

Klangbetont

Gemeinde etwas

x

x

 

x

X wenig

Rhythmus-betont

Band

 

S.3 pulsier. Halbe Hallelu

Stampfende Viertel

 

X sehr

Harmonik

Schlicht

 

X

 

x

 

X Str.2

 

x

 

x

 

x

Komplex

 

 

Str. 1 Chor

 

 

 

Modern

 

 

Str. 3

 

 

 

populär

 

 

 

 

 

X

Melodie

schlicht

 

 

X

 

 

 

 

Melodiebetont

X

 

x

x

X

 

Rhythmisch

X Band

 

 

 

 

X

Viele Sprünge

 

 

 

X Beginn KV

 

X bes. Str.

Rhythmus

Auffallend

 

X Band

 

 

 

 

 

x

Unauffällig

 

Durch Wdh. ganzer Ruf als Rhythmu

 

 

 

 

Modern

X Band

 

 

 

 

x

Klassisch

X Orgelvorsp

 

 

 

 

 

Arrangement

 

 

 

 

 

 

Instrumente

Orgel

 

Vorsp+Gem

 

 

 

X Str.2

 

x

 

X

 

Band

Zwischenspi

 

 

 

 

x

Pos-chor

 

 

 

 

 

 

A cappella

 

x

Str. 1 & 3

 

Letzte Str. „du“

 

Stil      Kirchen-Lied

 

Vorsp+Gem

 

 

Str. 1+2

Wie Kinder-lied

Schedisches Volkslied

 

Populäre Musik

Band

 

 

 

 

Latin

Experimentelle Musik

 

x

Str. 3

 

 

 

Stimmklang

Rauh

 

 

 

Gequält in der Höhe

 

Bandleader

durchs Mikro

Weich

 

 

 

 

X

 

Hell

 

Oberstimme

Chor Str.1

X

 

 

Dunkel

 

Unterstimme

 

X

 

 

Legato

 

 

 

 

einheitlich

 

Staccato

 

 

 

Hart

 

 

Fröhlich

 

 

 

 

 

X

Melancholisch

 

 

 

 

X

 

Kraftvoll

X

 

x

 

 

 

Körpererleben, -beobachten, Mimik

Ruhig

 

 

 

Gemeinde

 

 

 

x

 

 

 

x

 

 

 

 

X

 

Bewegt

Band

 

Str. 3

Liedsuche, F1

 

X

Gekrümmt

X

 

x

 

x

 

Aufrecht

 

aufmerksam

 

F1

 

 

Traurig

 

 

 

 

F1 & F4

 

Fröhlich

 

 

Str. 3

F1 Lächeln beim Singen

 

X

Offen

Band

 

Str. 3

F1

 

 

Verschlossen

Gemeinde

 

 

 

X

 

Interviewaus-sagen z. Lied

Fröhlich

 

 

 

 

 

 

x

 

 

X

 

 

Traurig

 

 

 

 

 

 

Melancholisch

 

 

 

 

X

 

Belebend

 

 

x

X

 

 

Spannend

 

 

X außer F2

 

 

 

langweilig

 

 

X F2

M1

 

 

Spaß

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

c) Typenbildung

 

Die Forschungsmethodik des Sonischen setzte bei subjektiven dichten Beschreibungen des erlebten Klanges ein. In Tabellen wurde die vorherrschende Subjektivität etwas allgemeiner gefasst, sodass ein Vergleich möglich wurde. Ein weiterer Schritt ist nun die Bildung von Typen, die das Sonische noch deutlicher strukturieren. Als erster Versuch werden zwei Großtypen aufgenommen: „Ergotrop“ und „Trophotrop“. „Ergotrop“ fasst das Sonische zusammen, was belebt, erregt und eine zunehmende Aktivierung hervorruft. „Trophotrop“ sind sonischen Erlebnisse, die beruhigen, die einen erregten Zustand auflösen und eine abnehmende Aktivierung hervorrufen. Diese erste Typenbildung, die vielleicht auch Untertypen erkennt, sind Rezeptionstypen. Es wird also nicht ein Lied oder eine Musik eingeordnet, sondern das individuelle Erleben des Sonischen eines Liedes. Das gleiche Klangerlebnis kann dann von unterschiedlichen Rezipient/innen unterschiedlich eingeordnet werden. Eine Vermutung voraus, auf Grund der kulturellen Prägung und dem Konzept der „kleinen sozialen Lebens-Welt“ des Gottesdienstes werden keine übertriebenen Differenzen im Erleben erwartet.

 

 

 

Aspekte

Ergotrop

Trophotrop

Lied

Vorbei sind die Tränen

Der Lärm verebbt und die Last wird leichter

Begründung

Laut

Eher hart im Klang

Schnelles Tempo

Rhythmusbetont

Rhythmische Melodie, viele Sprünge

Bandbegleitung mit Schlagzeug

Populärer Musikstil – Latin

Fröhlicher Stimmklang

Fröhliche Mimik der Singenden

Offene Körperhaltung

Relativ bewegt

Leise

Sehr weicher Klang

Langsam

Klangbetont

Melodiös

Orgelbegleitung, aber auch a cappella

Schwedisches Volkslied

Weicher Stimmklang, gleichzeitig hell und dunkel bei Tonsilbe „du“

Sehr einheitlicher Klang, melancholische Stimmung

Ruhige Körperhaltung, gekrümmt, traurige und verschlossene Mimik

Lied

Fröhlich, fröhlich ist das Volk

Kehrvers zum Psalm 73

Begründung

Mittellaut

Eher harter Klang

Stampfende Viertelbetonung

Mittelschnell

Melodiös, nur am Anfang des KV sprunghaft

Orgelbegleitung

Stil wie ein Kinderlied

Gequälter Stimmklang in der Höhe, staccato gesungen

Relative Körperbewegung (Suche nach dem Lied im Buch)

Aufrechte Körperhaltung F1, lächelnde und offene Mimik

F1 im Interview empfand das Lied fröhlich und belebend

M1 fand es langweilig

Mittellaut

Etwas weicher Klang

Klangbetont, Gemeinde zweistimmig

Eher langsames Tempo

Einfache Melodie

Ganzer Ruf wird durch die Wiederholung als Rhythmus empfunden

A cappella, experimenteller Stil

Oberstimme heller Stimmklang, Unterstimme dunkel, etwas mulmig

Ruhige Körperhaltung, aber aufrecht, drückt Aufmerksamkeit aus

Angeleitetes Singen

Lied

Mit Freuden zart

 

Begründung

Gemeinde eher laut (Chor eher leise)

Chor weich, Gemeinde eher hart

Mittelschnell

Melodiös

A cappella und Orgelbegleitung

Str. 1+2 klassischer Stil, Str. 3 experimentell

Stimmklang: Chor hell, Gemeinde kraftvoll

Körperhaltung ruhig, Str. 3 bewegter, recht gekrümmt

Str. 3 offene und fröhliche Mimik

Interviews: fröhlich und belebend, F2 langweilig, sonst spannend, es machte Spaß

 

Lied

Bandzwischenspiel  von                            Wir danken dir, Herr Jesu Christ                     Gemeindestrophen

Begründung

Mittellaut

Etwas weicher Klang

Rhythmusbetont

Mittelschnell

Rhythmische Melodie, gegenüber dem Choral verändert

Moderner, auffallender Rhythmus

Band

Populärer Stil

 

Bewegte Körperhaltung

Laut

=

Klangbetont

=

Melodiös

Unauffälliger Rhythmus

Orgel

Klassischer Stil

Kraftvoller Stimmklang

Ruhige Körperhaltung, gekrümmt

 

 

 

Wahrscheinlich werden die meisten Lieder von vielen in den gleichen Großtypen eingeordnet. Einige Lieder werden auf der Grenze der beiden Typen liegen. Dies kann einmal Ausdruck eines Liedes sein, das in Tempo, Lautstärke und Emotion im „mittleren“ Bereich liegt. Zum anderen wird die Grenze durch die konkrete (unauffällige) Performance beschritten. So sagte beispielsweise eine Frau in einem beobachteten Gottesdienst, dass ihr erst heute bei einem singend wahrgenommen Lied bewusst wurde – sie hat das Lied schon sehr oft gesungen –, wie vergnügt das Lied eigentlich ist. Vermutlich wird es zwischen den Singenden Differenzen in der Zuordnung zu den Subtypen geben.

 

In der Musikpsychologie werden zwei emotionale Ebenen unterschieden. Einmal sagt man über bestimmte Lieder, dass sie traurig oder fröhlich sind, ohne diese Emotion selbst zu empfinden. Zum Anderen spürt man selbst bestimmte Emotionen. Wahrscheinlich sind diese Ebenen nur analytisch zu trennen und geraten im Erleben durcheinander, beeinflussen sich gegenseitig und durchdringen sich.

 

 

 

Fragebogen um einige Klangparameter anhand des semantischen Differenzials abzufragen:

 

Lied: »XY«

 

Es geht um das konkrete Erleben des Liedes heute, um das, was Sie gerade empfinden, nicht darum, welche Gefühle das Lied in seiner Musik ausdrückt.

 

 

 

bekannt

1

2

3

4

Unbekannt

allgemeine Frage, wenn das Lied bekannt ist, könnte früheres Singen Einfluss auf die Bewertung haben

angenehm

1

2

3

4

Unangenehm

Valenzdimension des semantischen Differenzials

Leise

1

2

3

4

Laut

Potenzdimension des semantischen Differenzials

Klein

1

2

3

4

Mächtig

Potenzdimension des semantischen Differenzials

Weich

1

2

3

4

Hart

Potenzdimension des semantischen Differenzials

Ruhig

1

2

3

4

Bewegt

Aktivierungsdimension des semantischen Differenzials

Traurig

1

2

3

4

Fröhlich

Aktivierungsdimension des semantischen Differenzials

Unzufrieden

1

2

3

4

Zufrieden

Valenzdimension des semantischen Differenzials

Nicht gefallen

1

2

3

4

gefallen

Valenzdimension des semantischen Differenzials

 

 

 

Anhand dieser Tabelle des semantischen Differenzials, die sich aus der Sound-Tabelle ergibt, wird eine weitere Unterteilung der beiden Haupttypen vorgenommen. Trophotrop bedeutet, dass in dieser Tabelle aus der Dimension der Potenz eher klein und weich angekreuzt sein sollten. Aus der Dimension der Aktivierung eher ruhig und traurig. Die Dimension der Valenz kommt nicht vor, weil sie eher eine Aussage über meine momentane Beziehung zu diesem Lied aussagt und nicht in diese Typen eingeordnet werden kann. Ich kann mit beruhigender oder aktivierender Musik zufrieden oder unzufrieden sein.

 

1. Typ: Trophotrop

 

          1a. Subtyp: Trophotrop – traurig

 

          1b. Subtyp: Trophotrop – ruhig

 

          1c. Subtyp: Trophotrop – weich

 

          1d. Subtyp: Trophotrop – langweilig

 

 

 

2. Typ: Ergotrop

 

          2a. Subtyp: Ergotrop – fröhlich

 

          2b. Subtyp: Ergotrop – bewegt

 

          2c. Subtyp: Ergotrop – hart

 

          2c. Subtyp: Ergotrop – ärgerlich

 

 

 

Die Untersuchung des Sonischen ist nur ein Teil der umfangreicheren „Erlebnisorientierten Liedanalyse“. Diese will das Singen der Lieder zur Grundlage hymnologischer Untersuchung machen.

 


[1] Vgl. Holger Schulze, Sound Studies, in: Stephan Moebius (Hg.), Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung, Bielefeld 2012, 242-257.

[2] Vgl. zum Folgenden: Holger Schulze, Über Klänge sprechen. Einführung, in: ders. (Hg.), Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. Eine Einführung, Bielefeld 2008, 9-15.

[3] Vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon oder Die Grenzen der Malerei und Poeterei. Besonders Kapitel 19 und 20. http://gutenberg.spiegel.de/buch/1176/1 (nachgeschlagen am 29.8.2013).

[4] Holger Schulze, Über Klänge sprechen. Einführung, in: ders. (Hg.), Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. Eine Einführung, Bielefeld 2008, 11.

[5] Vgl. Maria Hanáček, Das Sonische als Gegenstand der Ästhetik. http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst10/pst10_hanacek.htm. Hanáček nimmt Immanuel Kant, Eduard Hanslick und Theodor Adorno auf, die alle den Klang als minderwertige Kategorie ansehen: Kant sieht das reine Geschmacksurteil als formales an und die materialen sind Sinnenurteile. So ist Musik, die nur die Sinne reizt die niedrigste der Schönen Künste. Hanslick will nicht das empfindende Subjekt, sondern das objektive Werk für ästhetische Untersuchungen zulassen. Allerdings hat das Sonische bei Hansick seinen Ort in der musikalische Aufführung, wo die Hörenden auch über das formale Wohlgefallen ergriffen sein können. Doch schreibt er dem Sonischen dämonische Kräfte zu. Adorno sieht ganz ähnlich die Ergriffenheit von Musik als mindere Form der Wahrnehmung an. Für ihn zählt nur der Experte, der strukturell hört. Der Klang hat bei ihm die Eigenschaften einer Droge.

[6] Vgl. zum Folgenden Susanne Binas-Preisendörfer, Rau, süßlich, transparent oder dumpf – Sound als eine ästhetische Kategorie populärer Musikformen. Annäherungen an einen populären Begriff. http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst10/pst10_binas.htm#v19 (nachgeschlagen am 29.8.2013).

[7] Vgl. Susanne Binas-Preisendörfer, Rau, süßlich, transparent oder dumpf – Sound als eine ästhetische Kategorie populärer Musikformen. Annäherungen an einen populären Begriff. http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst10/pst10_binas.htm#v19 (nachgeschlagen am 29.8.2013).

[8] Vgl. Susanne Binas-Preisendörfer, Rau, süßlich, transparent oder dumpf – Sound als eine ästhetische Kategorie populärer Musikformen. Annäherungen an einen populären Begriff. http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst10/pst10_binas.htm#v19 (nachgeschlagen am 29.8.2013).

[9] Vgl. Anne Honer, Lebensweltliche Ethnographie: ein explorativ-interpretativer Forschungsansatz am Beispiel von Heimwerkern, Wiesbaden 1993. Vgl. dies., Lebensweltanalyse in der Ethnographie, in: Uwe Flick, Ernst Kardorff, Ines Steinke (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek 20129, 194-204.

[10] Anders formuliert steht hier die Frage, ob es „mittlere Transzendenzen“ gibt, die mir das Verstehen des Anderen so ermöglichen, dass es für meine Soundgeschichte genutzt werden kann.

[11] Vgl. Gernot Böhme, Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik, Frankfurt am Main 1995, 34.

[12] Vgl. Andreas Rauh, Die besondere Atmosphäre. Ästhetische Feldforschungen, Bielefeld 2012, 227.

[13] Vgl. Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt am Main 82000, 133-136.

[14] Vgl. Andreas Rauh, Die besondere Atmosphäre. Ästhetische Feldforschungen, Bielefeld 2012, 158.

[15] Vgl. Sabine Schouten, Sinnliches Spüren. Wahrnehmung und Erzeugung von At­mosphären im Theater, Berlin 22011.

[16] Vgl. Sabine Schouten, Sinnliches Spüren. Wahrnehmung und Erzeugung von At­mosphären im Theater, Berlin 22011, 127.

[17] Albrecht Lehmann, Reden über Erfahrung. Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens, Berlin 2007, 72.

[18] Vgl. Clifford Geertz, Dichter Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur, in: ders., Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, 7-43.

[19] Vgl.Christoph Reuter, Klangfarbe, in: Helga de la Motte-Haber U.a. (Hg.), Musikpsychologie, 257.