Georg Friedrich Händel
»Esther« HWV 50a
Oratorium mit szenischer Darstellung
Samstag, 3. Oktober 2009 in der Stiftskirche St. Sylvestri zu Wernigerode
Ausführende Schauspiel: »Theater Kompanie Leipzig«, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Stadtfeld/Wernigerode, Johanna Meinig – Choreografie, Horst Flechsig – Dramaturgie & Regie.
Ausführende Musik: Gabriele Lamotte – Sopran, Cornelia Rosenthal – Alt, Dieter Wagner – Tenor, Stephan Heinemann – Bass, Kantorei Wernigerode, Philharmonisches Kammerorchester Wernigerode, Jochen Kaiser – Leitung.
Als Händel im Jahr 1716 den Text von Esther abschreiben ließ, notierte der Kopist über dem Werk »Masque«. Mit diesem Titel wurde im England des 18. Jahrhunderts eine Aufführung, die Musik, Pantomime und Tanz miteinander verband bezeichnet.
Die Bezeichnung des Werkes als »Masque« und die Unterteilung in sechs Szenen erinnern an eine Oper. Auch die Kompositionsweise ist opernhaft und dramatisch. Es ist Händels erstes Oratorium in englischer Sprache. Händel stand zu dieser Zeit in Diensten vom Earl of Carnarvon, der ab 1719 der Duke of Chandos war.
So entstand die Idee, dass Oratorium zu inszenieren. Leitend für Horst Flechsig (der in Absprache mit mir die Dramaturgie entwickelte) war das szenische Theater der Barockzeit.
Während die Musik, wie gewohnt, konzertant aufgeführt wurde, spielten die Jugendlichen pantomimisch, stellten dramatisch die Szenen von Verrat und Unglück der Juden dar, die, wie durch ein Wunder gerettet wurden. In der deutschlandweiten Zeitschrift für Kirchenmusik »Musik und Kirche« erschien im ersten Heft 2012, Seite 62f eine Besprechung von Prof. Dr. Michael Domsgen. Daraus zitiere ich: »Mit drei kräftigen Schlägen ihres Zeremonienstabes eröffnete Johanna Meinig, die als Maître(-sse) de Plaisir fungierte, die Aufführung. Durch die Kirche zogen die Soldaten mit dem König Ahasverus und zwei gefangenen Juden in den Chorraum. Als der persische Gott Ahuramazda, der wie eine geflügelte Sonne aussah, aufgestellt wurde, begann die Sinfonia. Dabei wurde die biblische Vorgeschichte gespielt, die im Oratorium fehlt: Die Auswahl der neuen Königin Esther durch Ahasverus.
Die für eine szenische Aufführung langen Arien wurden durch beeindruckend langsame Bewegungen oder Standbilder ausgefüllt, so dass ein Wechselspiel entstand. Besonders wirkungsvoll war eine Klageszene der Israelitinnen. Die Mädchen waren von Soldaten umringt, ihre gelben Gewänder durch schwarze Tücher verdeckt. Schließlich wurden sie einzeln von der Bühne geführt. Die Verbindung von Musik und Spiel verlieh dieser Szene eine besondere Intensität. Hier kam Händels Meisterschaft, Klage und Schmerz bewegend in Musik zu übersetzen, voll zur Entfaltung. … Anders als in der biblischen Geschichte endete das Oratorium mit dem Jubel der Israeliten und dem Dank an ihren Gott. In der Wernigeröder Aufführung waren auch Ahasverus und seine Soldaten an dem Jubelzug beteiligt. Gottes rettendes Handeln wird dann erkennbar, wenn unüberwinbar scheinende Hindernisse überwunden werden und Gemeinschaft entsteht – vor 2500 Jahren, vor 20 Jahren [jedes Jahr ist am 3. Oktober ist Konzert zum »Tag der Deutschen Einheit« in Wernigerode, Anm. JK] und heute, das sollte die Botschaft sein.«
Rektor der Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Kirche von Westfalen (Herford & Witten)
Prof. Dr. Jochen Kaiser
Kirchenmusiker, Liturgiewissenschaftler & Musikwissenschaftler
kirchenmusikerkaiser@gmx.de